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053 Felix zugeplant bei Pea

In knapp drei Wochen tauschen wir die Winterstiefel wieder gegen Sandalen. Das Landleben hat uns nach zehn Monaten fest im Griff, doch immer öfter drehen sich unsere Gedanken bereits um die Vorbereitungen für das Leben am Boot. Felix wartet in Trinidad sicher schon ungeduldig auf unsere Rückkehr. 

Endlich habe ich auch die Bildergalerie auf den aktuellen Stand gebracht. Nach einem erfrischenden Winterspaziergang könnt ihr euch in wärmere Gegenden entführen lassen mit Fotos aus Südafrika, St. Helena, Ascension Island und Trinidad. Viel Freude damit!

 

 

Nach einer langen Segeletappe von Jakarta in Indonesien über den Indischen Ozean, um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika und quer über den Südatlantik bis Trinidad in der Karibik gönnen wir uns eine Auszeit in der Heimat. Anfang Februar 2017 starten wir wieder durch, um zum dritten mal den Atlantik zu überqueren, diesmal zurück nach Europa.

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...eine gute Gelegenheit für mich, an der Bildergalerie zu arbeiten. Ich war auch schon richtig fleißig und habe Fotos von Rodrigues, Mauritius, Madagaskar und Mozambique sortiert. Soeben bin ich gedanklich in Südafrika angekommen - habe also nochmal den Indischen Ozean überquert.

Viel Freude beim Stöbern...

Sechs Wochen sind wir schon daheim in Österreich. Endlich nütze ich einen verregneten, kühlen Maitag, um die vielen Fotos der vergangenen Monate zu ordnen und die Bildergalerie langsam zu aktualisieren - step by step...

Zuerst machen wir uns aber mit Feuereifer daran, Haus und vor allem Garten auf Vordermann zu bringen. Einen Großteil unseres alten Thujenzaunes reissen wir aus und sind ganz begeistert von der freien Sicht auf blühende Obstbäume und die Hügel ringsherum. Auch ergibt sich dadurch öfter ein Tratscherl mit Nachbarn und Spaziergängern. Der Rasen braucht ebenfalls dringend Pflege, er besteht fast nur mehr aus Moos und Maulwurfshügeln. So werken wir, bis der Rücken schmerzt und wir Blasen an den Händen haben. Herrlich...und trotzdem habe ich mich nach den langen Überfahrten schon darauf gefreut.

Von 12000 Meilen über den Indischen Ozean und den Atlantik habe ich die Fotos von 700 Meilen bis Cocos Keeling auf die Homepage gestellt. Der Rest folgt demnächst, versprochen!

Es ist schon ein ungewohntes Gefühl. Bewegungslos steht unser Felix aufgebockt in der Peake´s Marina in Trinidad. Beinahe hätten wir wieder "unseren" Liegeplatz bekommen, den wir vor acht Jahren so geliebt haben - durch eine Hauswand abgedeckt von jedem Luftzug und genau über der Senkgrube. Nach energischem Protest hat der Kranführer umgeschwenkt zu einem luftigen Platz mit netter Aussicht. Palmen, orangeblühende Flammenbäume, grüne, kreischende Papageien und kleffende Hunde, vor dieser Kulisse werken wir bei brütender Hitze, um unser Heim wieder stillzulegen.

Das Einklarieren verläuft relativ schnell und sehr freundlich, danach fahren wir noch mit dem Sammeltaxi zum Supermarkt in die Westmall und schauen anschließend in der Peake´s Marina vorbei, um unseren Krantermin für den 31. März zu fixieren. Zu lange hält es uns nicht am Ankerplatz in der überfüllten, lauten Bucht von Chaguaramas.

Bevor wir am Sonntag Abend einbiegen zur Chaguaramas Bay auf Trinidad, kreuzen wir unseren Kurs vom 4. April 2008.

Seit 20. März 2016 um 17Uhr45 sind wir offiziell Weltumsegler, einmal rund um den Globus. Ein sonderbares Gefühl, begleitet von ein wenig Stolz.

Neptun hat uns auf allen Ozeanen gut behütet und bekommt zum Dank einen kräftigen Schluck Captain Morgan. Tom, Sonja und Keanu erwarten uns jubelnd vor Anker in der Scotlandbay, springen mit einer Flasche Sekt ins Dingi und stossen mit uns an auf das grosse Ereignis.

Mit den drei magischen Worten holt mich heute der Kapitän aus den Träumen. LAND IN SICHT. In der Nacht sind wir an unzähligen hell erleuchteten Öl-und Gasbohrinseln vorbeigesegelt. Jetzt liegt die Ostküste von Trinidad vor uns. Das Wasser wechselt von tiefblau zu trübtürkis. Wie freuen uns auf ein gemütliches Segeln und wollen den heutigen Palmsonntag mit einem ausgedehnten Frühstück beginnen. Nach Müsli und Obst gibt es noch Omelett und Kaffee, wozu wir uns gerne richtig Zeit nehmen.

Nach drei Wochen auf See schneide ich die letzten selbst geernteten Bio-Bananen aus Ascension ins Frühstücksobst. Außen sind sie zwar schon schwarz, trotzdem innen noch süß und gschmackig. Langsam gehen die Vitaminvorräte zur Neige, einige Tage würden wir aber mit Äpfeln, Orangen, Karotten, Zwiebeln und Kürbis noch gut auskommen.
Das Ziel rückt näher. Wenn die Windprognose stimmt, müssen wir sogar bremsen, das heißt nur die Genua setzen, für die verbleibenden 150 Meilen. Vor Sonnenuntergang, aber auch nicht früher, möchten wir morgen in der Scotland Bay vor Anker gehen. Offiziell ist es nicht erlaubt, aber zu verlockend, eine Nacht in dieser ruhigen Bucht auszuschlafen, bevor wir uns in Chaguaramas an die Zollmole legen und den Behördenkram erledigen.

Nur noch zwei Tage bis Trinidad - gerade rechtzeitig kann ich mein Werk vollenden. Der Häkelpulli mit dreiviertel Ärmeln in patriotischen Farben ist fertig. Bald hätte ich die ganze Handarbeit über Bord geschmissen. Ist gar nicht so einfach, ohne Anleitung eine Armkugel hinzukriegen, die keine Rüschen schlägt. Dann habe ich es noch geschafft, einen Ärmel mit der Naht nach außen anzunähen, kommt auch nicht so gut. Letztendlich bin ich aber ganz zufrieden mit meiner Arbeit, auch Lois nickt anerkennend. Das gute Stück wird mich immer erinnern an Mauritius, wo ich im kleinen Handarbeitsgeschäft beim Onkel meiner Zahnärztin das Garn gekauft habe und an die vielen Stunden am endlosen, tiefblauen Ozean.

Stunde um Stunde, Tag um Tag gleiten unsere Kiele durchs Wasser. Die Wellen klatschen gegen die Rümpfe. Je nach Geschwindigkeit ändert sich das Gurgeln und Plätschern an Bug und Heck. Die Melodie ist uns sehr vertraut, sie klingt rund um die Uhr in unseren Ohren und wiegt uns sogar in den Schlaf, bis wir es für einige Stunden ausblenden. 5.500 Meilen über den Atlantik mit kurzen Zwischenstopps sind ganz schön weit. Das Leben dreht sich hauptsächlich um Wind und Wetter, Segel wechseln, Kurs Bestimmung, Reparaturen, schlafen, kochen, fischen, essen, reden, funken, lesen, Sternderl schauen... In drei Tagen wollen wir in Trinidad sein. Calypsoklänge der Karibik warten auf uns mit allem Tumult und Luxus des Landlebens. Jedenfalls ungewohnt. Worauf wir uns am meisten freuen, ist eine lange, ungestörte Nacht.

Sehr energisch zieht etwas an der Angelleine. Die Bremse an der Rolle ist beinahe zu schwach. Meter für Meter kurbelt Lois den Fang näher. Er zeigt sich nicht und will abtauchen. Das muss ein Thunfisch sein. Schließlich sehe ich einen hell schimmernden Fleck, ziemlich breit, der sich als Gelbflossenthunfisch von ansehnlicher Größe entpuppt. Mit dem Netz können wir den nicht anlanden. Lois greift sich die Gaff, versucht den Fisch so nahe wie möglich zum Heck zu dirigieren, um ihn mit dem Haken an Bord zu heben. Die richtige Stelle zu treffen ist nicht leicht und plötzlich...ist er weg. Ein wirklicher Prachtkerl, so an die 20 kg schätzen wir. Nur noch das Stahlvorfach, ausgelegt für 75 kg, hängt ausgefranst an der Leine. Diesmal haben wir den Fang wenigstens zu Gesicht bekommen, echt schade drum. Ich habe im Geiste schon die Gläser zum Einkochen aus der Bilge geholt. Naja, bleibt uns einiges an Arbeit erspart.

Die Strecke von St. Helena bis Brasilien und weiter in den Norden von Südamerika ist nicht sehr stark befahren. Es erscheint aber trotzdem immer wieder ein AIS-Signal am Kartenplotter und zum Teil sehen wir auch die großen Schiffe am Horizont. So riesig der Ozean auch ist, manche kommen uns bedenklich nahe, sodass ich vor wenigen Tagen zu nächtlicher Stunde zum Funkgerät greife, um eine Kollision zu verhindern. Sehr freundlich meldet sich der Wachhabende und ändert den Kurs einige Grad nach Steuerbord. "Thank you very much and have a good watch."
Gestern fährt der Frachter Seoul aus Luxemburg nur 1 Meile an uns vorbei mit Zielhafen Kartagena in Kolumbien. Alle diese Daten liefert das AIS, eine sehr hilfreiche Einrichtung. Doch schon nach wenigen Meilen verschwindet sein Signal vom Plotter und seither können wir kein Schiff mehr sehen. Ist tatsächlich auf einmal überhaupt niemand mehr in Reichweite unterwegs, oder haben alle ihr Identifikationssystem ausgeschaltet? Nach Brasilien segeln wir entlang der Küste von Französich Guyana, Suriname, Guyana und einen kurzen Abschnitt von Venezuela. Wir haben von Zwischenfällen nahe der Ölplattform nördlich von Trinidad im vergangenen Dezember gehört, bei denen zwei Yachten ausgeraubt wurden. Auf unsere besorgte Anfrage erklärt der Marinamanager bei Peakes in Trinidad, dieser Abschnitt wird seither von der Küstenwache besonders genau kontrolliert, die Situation ist unter Kontrolle und es ist nichts mehr weiter vorgefallen.

Mit vollen Segeln rauschen wir in die Nacht hinein. Bei Nordostwind von 16 bis 20 Knoten sind wir recht flott unterwegs. Felix stampft teilweise in den konfusen Wellen, das Bordleben ist ziemlich wackelig. Um 22 Uhr übergebe ich die Wache an den Kapitän und freue mich auf drei Stunden wohlverdienten Schlaf. Gerade döse ich ein, als mich eine Stimme aus den Träumen reißt. Steh nochmal auf, wir müssen reffen." Warum, hat der Wind zugelegt?" "Nein, das Segel ist gerissen." Das darf doch nicht wahr sein. In Südafrika haben wir das Groß erst reparieren lassen und die Firma Ullmann Sails hat uns versichert, dass das Material noch sehr gut ist. Wieder ist das Achterliek gerissen und setzt sich in einem häßlichen Riss quer über das halbe Großsegel fort. Das Gute daran ist, dass der Schaden wieder im unteren Drittel liegt. Wenn wir also ein Reff einbinden, ist der obere Teil noch in Ordnung.
Mit verkleinerter Segelfläche nehmen wir wieder Fahrt auf und werden eben etwas länger für die verbleibenden gut 1000 Meilen bis Trinidad brauchen. Mit den Dreien auf Pakia tea können wir nur noch auf Kurzwelle plaudern. Der Abstand wird immer größer.

In Äquatornähe ist der Wind wechselhaft bis schwach mit vermehrten Squalls, steht in den Büchern. Diese ITC - die innertropische Convergenzzone - ist mehr oder weniger breit und eher unbeliebt. Wir beobachten die Wolken recht genau, die sich immer wieder rund um Felix türmen oder in schwarzen Schichten über uns hinwegziehen. Mit Sicherheit können wir nie sagen, was drinsteckt. Manchmal regnet es kräftig für einige Zeit, ein anderes mal legt nur der Wind zu oder die Wolkengebilde treiben einfach vorbei und lösen sich auf. Jedenfalls sind wir bisher von starken Squalls verschont geblieben. Der Südostwind vom Südatlantik hat fast unbemerkt gedreht auf Nordost. Die beiden Spinnaker, unsere braven Vorwindsegel, sind seit drei Tagen verstaut und wurden von Gross und Genua abgelöst. Leider warten wir immer noch auf die versprochene Strömung, die unsere Fahrt beschleunigen soll. Stattdessen sorgt ein Strom in südliche Richtung dafür, dass wir über Grund weniger schnell vorankommen als durchs Wasser und die Wellen teilweise kreuz und quer laufen. Schlussendlich ist es aber nicht so wichtig, ob wir einen Tag früher oder später ankommen. Trotzdem beginnen wir schon zu rechnen.

Schon wieder ein Grund zum Feiern. Vergangene Nacht genau um 01 Uhr 39 überqueren wir den Äquator von Süd nach Nord. Die Äquatortaufe liegt schon lange hinter uns. Vor sieben Jahren haben wir uns im Pazifik am Weg nach Galapagos mit Sekt begossen. Danach sind wir 2011 im Südchinesischen Meer Richtung Koh Chang über diese imaginäre Linie von Süd nach Nord gesegelt und wieder zurück im Vorjahr südlich von Singapur. Daher ist es doch das erste mal - im Atlantik nämlich, dass wir vor dem GPS-Gerät die Kommastellen runterzählen, bis die Anzeige umspringt auf Nord. Ist fast wie heimkommen. Wir feiern das Ereignis mit einem nächtlichen Snack und stoßen an auf uns und Neptun mit einem kleinen Bier.
Getrübt wird die Zeremonie durch das Brummen des Motors, obwohl ein guter Wind aus Nordost weht. Kurz vor Mitternacht hat sich das Großsegel von der Mastspitze gelöst und ist ohne Vorwarnung heruntergefallen. Schöne Bescherung. Also müssen wir den Motor starten, denn nur mit der Genua kommen wir fast nicht vorwärts. Noch vor dem Frühstück klettert Lois heute den Mast hoch, was bei einem auf See schwankenden Boot kein Spaß ist. Die Wellen sind nicht extrem, aber es reicht trotzdem. Er läßt ein neues Großfall im Mast runter, klettert selbst wieder an Deck und will das Seil mit einer Drahtschlinge unten aus dem Mast ziehen. Da ist es aber leider nicht angekommen, hat sich irgendwo verhängt. Das heißt, nochmals auf den Mast steigen, wieder das selbe Spiel. Beim dritten mal klappt es endlich, das Fall kommt an der unteren Mastöffnung zum Vorschein. Lois schwitzt schon bedenklich und braucht eine Verschnaufpause, bevor er noch ein letztes mal die Maststufen raufsteigt, um das Fallende oben zu fixieren. Endlich können wir wieder Segel stetzen, den Motor abstellen und in aller Ruhe bei einem späten Frühstück wieder zu Kräften kommen.

Gebannt stehen wir beide um 13 Uhr im Cockpit. Bald zeigt sich wieder eine runde Zahl. Die 40.000 nautischen Meilen am Log begrüßen wir mit einem lautstarken Yippie Yeah. Am offenen Meer hört uns glücklicherweise niemand. Seit Izola in Slowenien, wo wir für die große Fahrt neue Armaturen eingebaut haben, sind wir diese Strecke gesegelt. Davor haben wir mit Felix bei der Überstellung von England nach Kroatien auch schon 3.700 Meilen zurückgelegt. In Jakarta, wo wir im Juni 2015 aufgebrochen sind, ist die Anzeige bei 30.333 gestanden. 10.000 Meilen und zwei Ozeane haben wir seither zu verbuchen. Na dann Prost auf zwei stolze Segler!

Mit Kurs 300 Grad steuern wir direkt Trinidad an, noch 1530 Meilen liegen vor uns. Den Wegpunkt von gestern am Unterseeberg brauchen wir nicht mehr. Heute Vormittag fahren wir über eine 100 Meter Untiefe und prompt surrt die Angelleine. Ein handlicher 4 kg Thuna landet bald darauf an Bord, wird ausgenommen, filletiert, portioniert und die ersten Steaks gleich zu Mittag fangfrisch gebraten und verspeist. Für die nächsten vier Tage sind wir reichlich versorgt. So läßt es sich leben, vielen Dank.

Gut hundert Meilen im Westen liegt die Küste von Brasilien. 1000 Meilen segeln wir nach NW entlang dieses riesigen südamerikanischen Landes, sehen aber höchstens ein paar Fischerboote, die auf den zahlreichen Unterseebergen ihren Fang einholen. Aus 3500 Metern Tiefe steigen diese Kegel steil an bis teilweise 20 Meter unter die Wasseroberfläche. Jede Menge Fische tummeln sich in diesen Gebieten. Unser nächster Wegpunkt führt uns aus diesem Grund über eine solche Erhebung. In 160 Meilen oder etwa 26 Stunden werden wir sehen, ob auch unsere Angelschnur ausrauscht.

Ein Segeltag wie im Bilderbuch - am frühen Vormittag quert unser Kurs einen Unterwasserberg, der auf 38 Meter ansteigt. Einige Fischer in kleinen Booten versuchen hier ihr Glück und auch wir fangen endlich eine zwar kleine, aber sehr schmackhafte Stachelmakrele. Das Fischlein schaut ziemlich ramponiert aus mit Bisswunden am Kopf und auf der Brust. Da wollte anscheinend ein größerer Fisch uns den Fang streitig machen.
Kurz nachdem wir unsere Fischmahlzeit verzehrt und den Kaffee ausgetrunken haben, sind am Horizont Brecher und helleres Wasser zu erkennen. Das brasilianische Atol das Rocas kommt langsam in Sicht. Pakia tea wird von einem Navy Ship angefunkt und gefragt über Nationalität, woher und wohin. Auch wir melden uns und geben unsere Daten bekannt, weil das Atoll ein strenges Naturschutzgebiet ist. Blendend weissen Sandstrand, einige Palmen, kleine Gebäude und einen Leuchtturm sehen wir an Land. Die Unterwasserwelt wäre sicherlich auch interessant, besonders für unsere Meeresbiologen. Wegen der strengen Kontrollen und Militaerpräsenz fragen sie aber nicht um Erlaubnis zum Schnorcheln. So segeln wir nur in sicherem Abstand an diesem Traumplätzchen vorüber, bis es wieder in den Weiten des Atlantiks versinkt.

Tag um Tag spulen wir ab am weiten Südatlantik, 1000 Meilen liegen schon hinter uns seit Ascension Island. Am gestrigen Sonntag haben wir ein halbes Blech Pizza verspeist und uns dazu einen Pfiff Bier genehmigt, köstlich. Die zweite Hälfte lege ich auf ein Brett, um sie bis heute im Kühlschrank aufzuheben. Aus einem Winkel der Küchenablage ziehe ich die Frischhaltefolie hervor und schreie laut auf, als mich plötzlich etwas anspringt. Unser Gecko sitzt auf meiner Hand und ist genauso verdutzt wie ich. Er springt schnell zurück auf die Küchenplatte, bleibt in Abwehrstellung mit hochaufgerichtetem Schwanz kurz stehen und verschwindet zwischen den Gewürzkörben. Wir freuen uns immer riesig, wenn wir sehen, wie munter der kleine Kerl ist. Viele tausend Meilen ist unser Maskottchen schon an Bord und fängt hoffentlich fleißig Mücken und anderes Ungeziefer.

Mit weit ausgebreiteten Schwingen Kreisen Tölpel um unser Boot und liefern eine anmutige Show. Neugierig beäugen sie Felix und interessieren sich auch für unser Köderfischlein, das wir seit Tagen erfolglos durchs Wasser ziehen. Tölpel hat in unserem Sprachgebrauch eine eher negative Bedeutung. Wenn man diese eleganten Vögel beobachtet, bekommt man schnell eine andere Meinung. Weitab von Land, immerhin liegt Ascension schon 900 Meilen hinter uns, jagen sie nach Fischen und finden immer wieder zurück zu ihren Nistplätzen. Wir wären ohne moderne GPS-Navigation aufgeschmissen, der gute alte Sextant schlummert seit Jahren in seiner Holzkiste. Wie diese Tiere es schaffen, sich ohne technische Hilfsmittel mühelos zu orientieren, ist uns ein Rätsel.

Im gemächlichen Tempo eines Segelbootes bewegen wir uns von Ost nach West. Jeden Tag geht die Sonne etwas später auf und versinkt dementsprechend verspätet in den Cumuluswolken am Horizont. Alle vier bis fünf Tage, wenn wir wieder fünfzehn Längengrade gesegelt sind, müssen wir unsere Uhren um eine Stunde zurückdrehen. Darin haben wir inzwischen Routine - Fotoapparate, Handy, Armbanduhr, die Wetterstation im Salon und ein paar Messgeräte - überall sollte die gleiche Zeit eingestellt sein. Seit St. Helena haben wir zwei Zeitzonen überschritten und liegen zur MEZ bereits um drei Stunden hinten. Durch unsere Reisegeschwindigkeit im Schneckentempo ist die Umstellung aber leicht zu verkraften.

Leicht verschlafen kämpfe ich mich um 1 Uhr nachts ins Cockpit und schaue mich um. Sehen kann ich absolut nichts. Kein einziger Stern schimmert durch die Wolkendecke und auch der Mond ist noch nicht aufgegangen. Geradeaus erkenne ich mit einiger Fantasie ein schwaches Pünktchen. Das Toplicht von Pakia tea fünf Meilen vor uns ist das einzige Licht in der pechschwarzen Nacht. Ich klappe meinen E-Reader auf und vetreibe mir die Zeit mit einem guten Buch. Gegen drei Uhr ist die Dunkelheit nicht mehr ganz so undurchdringlich. Der Schein des abnehmenden Mondes zeichnet sich hinter den Wolken ab. An einer Stelle reißt die Decke sogar auf und das Kreuz des Südens steht für einen kurzen Moment strahlend über uns.

Bei der morgendlichen kleinen Funkrunde von Pakia tea und Felix beschließen die Kapitäne, etwas weiter westlich zu segeln, um einem Tiefdruckgebiet mit Regen und eventuell Gewitter auszuweichen, das sich auf unserer Strecke bildet. Wir ändern den Kurs von 280 auf 271 Grad. Der Wind ist dadurch nicht mehr achterlich, sondern kommt mehr von backbord und wird außerdem schwächer.
Wir bergen den kleinen Spinnaker und ziehen den großen auf. Irgendetwas spießt beim Setzen, das Seil ist verkehrt durchgezogen. Wir bergen das Segel nochmals, bringen alles in Ordnung und lassen den großen Spi wieder auswehen. Die Windanzeige klettert auf 18 Knoten und mehr, steigt schließlich über 20. Das bedeutet, wir bergen das Segel wieder mit vereinten Kräften und entscheiden uns jetzt für Groß mit einem Reff und Genua. Bei raumem Wind ist Pakia tea eindeutig im Vorteil, holt deutlich auf und segelt uns davon. Eine Variante könnten wir noch probieren. Wir rollen die Genua ein und ersetzen sie durch den kleinen Spinnaker. Im Moment sind wir also mit Großsegel und Spinnaker unterwegs und machen bei Südostwind mit 16-20 Knoten 7 Knoten Fahrt. Da soll nochmal einer behaupten, segeln sei kein Sport. Meine Oberarme zwitschern schon.

Seit Ascension versuchen wir unser Anglerglück, bisher ohne Erfolg. Gestern zupft kurz ein Fisch, verabschiedet sich aber bald wieder. Lois kontrolliert regelmäßig, ob die Haken in Ordnung sind oder sich etwas verwickelt hat. Heute probiert er seinen besten Köder. Er ist ziemlich klein und macht ein leises Geräusch. Damit wollen wir einen handlichen Thuna oder Mahimahi anlocken. Kurz vor Mittag rauscht die Leine aus. Trotz der Sperre an der Angel zieht der Fisch weiter, bis...wieder nichts mehr dran ist. Nicht nur der Lieblingsköder ist weg, sondern auch die Schnur, ausgelegt fuer 80 kg, ist gerissen und die Angelhalterung gebrochen. So einen schweren Brocken hätten wir sowieso nicht bändigen können. Langsam sind wir allerdings mit unserem Latein am Ende. Unsere Köder scheinen als Piercing sehr beliebt zu sein.

In drei Wochen ist Frühlingsbeginn, die Sonne steht dann genau über dem Äquator. Daheim in Österreich blühen Märzenbecher und Schneerosen. Wir gewöhnen uns langsam wieder ans Schwitzen bei Temperaturen um die dreißig Grad. Beim Kaffeetrinken rechnen wir nach. Am 21. Dezember war die Sonne am südlichen Wendekreis und braucht für die 23 Breitengrade zum Äquator, den sie am 21. März erreichen wird, dreizehn Wochen. Drei Viertel der Zeit sind schon vergangen. Wir erreichen bald den 6. Breitengrad, haben also drei Viertel der Strecke vom südlichen Wendekreis zurückgelegt. Das bedeutet, dass die Sonne ihren Höchststand erreicht hat und zu Mittag genau über uns steht - kein Wunder, wenn uns heiß ist.

Etwas Wehmut schwingt mit, wie jedes mal, wenn wir weiterziehen. Obwohl uns der Ankerplatz vor Georgetown auf Ascension Island einige unangenehme Überraschungen beschert hat, haben wir die acht Tage auf der Insel doch sehr genossen. Der Ankergrund ist teilweise gespickt mit Felsen und altem Ankergeschirr. Auf 14 Meter Wassertiefe geben wir 70 Meter Kette, verfangen uns aber an einer Felsnase. Durch den meterhohen Schwell entsteht so ein heftiger Zug, dass die ganze Kette ausrauscht und die Verschraubung der Ankerwinsch mitsamt einem Stück vom Deck herausbricht.

Schon am Morgen liegt die Insel zum Greifen nahe vor uns, obwohl uns noch 25 Meilen trennen. Bei besten Segelbedingungen absolvieren wie diese Strecke in fünf Stunden und lassen hinter Pakia tea den Anker fallen. Vorher funke ich Ascension Island Radio an, um unsere Ankunft zu melden. Die haben aber einen so miserablen Empfang, das wir uns gegenseitig kaum verstehen. Die Vulkaninsel mitten im Südatlantik ist eine amerikanische und englische Militärbasis mit imposanten Satellitenanlagen, die man schon von Ferne sieht. Vielleicht sollten sie sich auch einmal ein neues Funkgerät leisten.

Ein schwarzer Schatten flattert um das Segel in der mondhellen Nacht. Ich höre ein lautes Gekrächze. Seeschwalben umschwirren unser Boot. Auf der Suche nach einem ruhigen Schlafplatz kommt ihnen Felix gerade recht. Sie können sich zwar auch am Wasser treibend ausrasten, aber so eine Nachtfahrt wäre nicht zu verachten. Eine Schwalbe landet auf meinem Kanu und findet am seitlichen Griff guten Halt. Bald sitzen noch drei Vögel auf den hinteren Solarzellen und einer am Segelsack an Deck. Bei meinem regelmäßigen Kontrollblick strecke ich den Kopf aus der Öffnung des Biminidaches und sehe wenige Zentimeter vor mir zwei Äuglein und einen spitzen Schnabel. Der nächtliche Passagier bleibt seelenruhig auf seinem Platz auf der Solarzelle stehen, ich erschrecke mehr als er. Na gut, dann fährt ihr eben mit, kein Problem. Dass ihr uns als Dank dafuer einen Haufen Sch..... hinterläßt, ist allerdings nicht die feine Art.

Die Gribfiles versorgen uns auf See mit der Windvorhersage. Täglich holen wir uns diese Information über Funk für die vor uns liegende Segelstrecke. Die Angaben sind allerdings Durchschnittswerte, die meist unter der tatsächlichen Windstärke liegen. Sicherheitshalber haben wir gestern Abend den großen Spinnaker gegen den kleinen getauscht, um ruhiger durch die Nacht zu kommen. Die Entscheidung war richtig. Aus angesagten fünfzehn Knoten wurden mehr als zwanzig. Heute ist der Himmel bedeckt und graue Wolkenberge liegen vor uns. Mit sechs Knoten sind wir recht gut unterwegs, auch mit wenig Segelfläche, und werden hoffentlich Ascension übermorgen bei Tageslicht erreichen.

Daheim würden wir darüber kein Wort verlieren, weil es selbstverständlich ist. Auf hoher See freuen wir uns, wenn wir auf der Badeplattform eine erfrischende Dusche nehmen können - das Wasser ist sogar noch etwas warm - herrlich.
Ich bin begeistert, wenn mein selbstangesetztes Joghurt fest wird. Ist immer wieder spannend, ob ich die Temperatur richtig erwischt habe. Als Thermometer dient mein kleiner Finger.
Es ist schön, wenn die Sonne scheint und unsere Solarzellen genug Strom liefern, um die Akkus von Laptop und Fotoapparat aufzuladen. Wenn wir dann noch über Sailmail auf Kurzwelle eine gute Verbindung bekommen, freut es mich, dass ich meine Berichte wegschicken kann.
Ja und wenn der Brotteig aufgeht und es aus dem Backrohr wunderbar duftet, freuen wir uns auf ein frisches Butterbrot.
Foto gibt es heute keines, aber den Duft schicke ich mit...

Beinahe hätten wir geglaubt, es ist vorbei mit den ausgedehnten Kaffeplauderstündchen im Cockpit nach dem Mittagessen. Der indische Ozean hat sich teilweise zu ruppig gezeigt für solch gemütliche Momente. Bei Vorwindkurs unter Spinnaker mit moderatem Seegang können Tisch und Sessel im Cockpit bleiben und wir lauschen bei Kaffee und Kuchen dem Plätschern der Heckwelle. Wenn sich der Atlantik für die verbleibenden 3500 Meilen weiter so angenehm zeigt, können wir nicht klagen.

Aus 30 Meilen Entfernung sind die massigen Konturen der vulkanischen Insel noch gut zu sehen, verblassen aber immer mehr. St. Helena reiht sich ohne Zweifel in die angenehmen Erinnerungen unserer Reise ein. Abgesehen von der herrlichen Landschaft sind es vor allem die freudlichen Bewohner, die diese abgeschiedene Insel so besonders machen.
Wir klarieren aus, was in wenigen Minuten erledigt ist, checken bei einem guten Kaffe nochmals unsere e-mails und den Wetterbericht, füllen drei Kanister mit Diesel und kaufen um die letzten Pfund Tomaten, Kraut und Karotten. Durch Mundpropaganda von Segler zu Segler finden wir immer wieder neue Quellen für frisches Gemüse. Sogar eine ganze Staude grüne Bananen haben wir beim gestrigen Sonntagsspaziergang ergattert und dekorativ im Cockpit aufgehängt. Tom, Sonja und Keanu werden sich freuen, wenn wir wie ein fahrender Obst- und Gemüsestand bei ihnen auf Ascension ankommen.

 
Der Flughafen ist bereits gebaut, aber noch nicht eröffnet - im Mai vielleicht. Die ältere Bevölkerung ist ziemlich skeptisch, wie das werden wird. Sicher warten auch viele seit Jahren darauf, dass mit dem Flugverkehr die Insel leichter erreichbar ist. Wir fühlen uns jedenfalls richtig wohl auf St. Helena wie es momentan ist. Gemüse und Obst gibt es nur am Donnerstag zeitig in der Früh und auch da ist die Auswahl bescheiden dafür von heimischen Gärten.

Den Landfall auf St. Helena verschlafe ich. Hinter den Klippen der Insel blinzeln die Strahlen der Morgensonne hervor. Ich höre, wie sich Lois und Thomas auf UKW unterhalten. Die Drei auf Pakia tea segeln weiter nach Ascension, wo wir sie vielleicht wieder einholen. Schnell schwinge ich mich aus den Federn. Der Spinnaker fällt durch die Kursänderung bereits ein und muss geborgen werden. Wie es sich gehört, melde ich St. Helena Radio auf Kanal 16 und danach Port Control auf Kanal 14 unsere Ankunft. Wir fischen uns eine der zahlreichen Mooringbojen und begeben uns anschließend mit dem Ferry-Service an Land. Der Weg zu den Ämtern ist sehr unkompliziert. Der Hafenmeister, die Damen von Zoll und Einreisebehörde, alle haben ein Lächeln auf den Lippen und sind hilfsbereit und freundlich. Der nächste Weg führt uns zur Bank, wo wir mit Kreditkarte einige St. Helena Pfund mit dem erlauchten Antlitz der englischen Königin beheben. Einen Bankomaten gibt es auf der Insel nicht. 40,- Pfund will der Harbourmaster von uns und 17,- Pfund pro Person kostet die Einreise. Na wenn schon, irgendwie muss sich dieses entlegene Überseeterretorium von Großbritannien schließlich finanzieren.

Einen Tempomat gibt es nicht beim Segeln. Der Wind bestimmt die Geschwindigkeit, abhängig von der Segelfläche, die wir ihm bieten. In St. Helena wollen wir bei Tag ankommen, darum haben wir schon gestern zeitig in der Früh den grßsen Spinnaker geborgen und gegen den kleineren getauscht. Bei vorausgesagtem Südostwind mit 15 Knoten sollten wir die verbleibenden 200 Meilen in der richtigen Zeit schaffen, um am 10. Februar vormittags den Ankerplatz zu erreichen. Der heutige Morgen bringt, entgegen der Vorhersage, Regen und drehenden, schwachen Wind. Wir tümpeln nur mehr langsam dahin. Wenn das so bleibt, wird es Abend, bevor wir ans Ziel kommen. Also wechseln wir nochmals die Segel. Ein wenig Sport schadet nichts. Noch 15 Stunden errechnet jetzt unser GPS für die 65 Meilen bis zum Wegpunkt,von dem wir noch 15 Meilen zum Ankerplatz haben. Schaut gut aus. Am Abend werden wir trotzdem wieder das kleinere Segel aufziehen.
So ein Alltag auf hoher See ist neben Wäsche waschen, putzen, backen, kochen, essen, lesen, schlafen doch recht anstrengend, mit all diesen Entscheidungen und Berechnungen...klingt komisch, ist es aber nicht.

So könnte es bleiben. Bei idealen Wetterbedingungen hat sich der Bordalltag bei Tag und Nacht eingespielt. Sogar ein Fischlein haben wir gestern Abend noch gefangen, einen Mahimahi mit 1,5 kg - ergibt 80 dkg wohlschmeckende Filets. Heute vormittag zieht noch einmal etwas kräftig an der Angelschnur, reißt sich aber wieder los. Lois kontrolliert den Köder, an dem er einen Fetzen vom Maul eines Mahimahi findet. Armer Fisch! Diese Verletzung wird er kaum überleben. Wir hätten ihn wenigstens nicht lange leiden lassen.
Immer weiter segeln wir nach Norden in Richtung Äquator. Auf 19 Grad südlicher Breite zeigt sich zu nächtlicher Stunde erstmals der Große Wagen. Verkehrt hängt er über dem Horizont, hoch am Sternenhimmel strahlt gleichzeitig das Kreuz des Südens. Es ist ein schönes Gefühl, einen alten Bekannten wiederzusehen.
In zwei Tagen werden wir St. Helena erreichen. Fast tut es uns leid, dass dadurch die Bordroutine unterbrochen wird. Trotzdem sind wir auf diese abgelegene Insel sehr neugierig.

Pünktlich um 7 Uhr in der Früh und 19 Uhr am Abend läutet das Telefon. Zumindest hört es sich so an, wenn Thomas uns auf UKW mit DSC ruft. Das geht aber nur, weil wir beide eine MMSI haben. Ich liebe Abkürzungen, machen das Leben so einfach... UKW-Ultra Kurz Welle, DSC-Digital Selective Call, MMSI-Maritime Mobile Service Identification. Jedenfalls funktioniert der direkte Anruf und ein Gespräch auf UKW nur innerhalb von etwa 20 Meilen und ist besonders sinnvoll, wenn viele Boote in diesem Bereich sind. Neugierig wie die Segler sind, hört bei einem Ruf auf Kanal 16 und anschließendem Kanalwechsel jeder mit. Momentan wäre es egal, außer Felix und Pakia tea ist weit und breit niemand unterwegs. Wir plaudern also zwei mal täglich...habt ihr einen Fisch gefangen, wie wird das Wetter, geht der Autopilot wieder...ist alles ok bei euch...man fühlt sich gleich nicht mehr so alleine. Wenn wir ganz genau Ausschau halten und das Licht günstig ist, sehen wir sogar die Masten am Horizont. Sechs Meilen trennen uns derzeit voneinander. Sollten wir uns weiter als 20 Meilen voneinander entfernen, unterhalten wir uns zu den gleichen Zeiten auf der Kurzwellenfrequenz 6646. Damit haben wir eine weitaus größere Reichweite. Besonders nett ist es, wenn uns Keanu ruft. Sein Felix, Felix - Pakia tea klingt bereits höchst professionell.

Nur noch etwa eine Stunde, dann überschreiten wir den 0-Grad Meridian. Damit wechseln die Längengrade von Ost auf West. Seit Fidschi sind wir auf der östlichen Halbkugel, immerhin fünf Jahre. Bis vor wenigen Tagen waren wir der mitteleuropäischen Zeit voraus. Jetzt müssen wir umlernen und bei den Positionsangaben höllisch aufpassen.
In gemäßigtem Tempo nähern wir uns St. Helena. Unseren Zwischenstopp werden wir, wenn der Süd-Ost mit 10 bis 15 Knoten anhält, am Mittwoch erreichen. Die See ist ruhig und es lebt sich recht angenehm an Bord. Seit einigen Tagen versuchen wir, noch ein Fischlein an die Angel zu locken, jedoch ohne Erfolg. Wo sind die denn alle? Gegen Geselchtes mit Polenta und Fisolen gibt es aber auch nichts einzuwenden.

Mit unglaublichen zwei bis drei Knoten Geschwindigkeit sind wir durch die Nacht gesegelt, aber immerhin ohne Motor. Am Vormittag hört das letzte Lüftchen auf. Der Spinnaker fällt ein. Wir gönnen ihm eine Pause. Jetzt brummt wieder die eiserne Genua, mal sehen wie lange. Eigentlich könnten wir auch auf Wind warten, wir haben Zeit. Nur verlieren wir dann die Drei auf Pakia tea, die einige Meilen vor uns über den tintenblauen Atlantik tuckern.

Der große Spinnaker hängt ziemlich unmotiviert herum, das schwache Lüftchen bläst ihn kaum noch auf. Wir machen aus der Wind-Not eine Tugend und starten den Motor. Normalerweise sollten wir warten, bis die Flaute vorbei ist, denn tausende Meilen über den Ozean zu motoren ist sinnlos und der Diesel würde nicht reichen. Heute brauchen wir aber die Energie des Motors, um den Watermaker zu betreiben, den Boiler aufzuheizen und die Waschmaschine einzuschalten. Für all diesen Luxus und zusätzlich eine warme Dusche nehmen wir gerne ein paar Stunden Lärm in Kauf. Wenn wir so selbstverständlich leben, wie daheim, stellen wir uns vor, wo wir eigentlich sind. Unglaublich! Am Abend wollen wir wieder Segel setzen, falls der Südostwind wie versprochen zunimmt.

Am Vormittag steht der Mond als schmale Sichel hoch am Himmel. Wir wissen, er ist im Abnehmen. Aber wie soll man das bestimmen, wenn er wie eine verkehrte Schüssel zu sehen ist und nicht aufrecht wie ein -a- in Kurrentschrift, so wie wir das gelernt haben. Recht spät hat er heute hinter den Wolken hervorgeblinzelt, erst eine Stunde nach Mitternacht. Trotzdem freuen wir uns, wenn er mit den Sternen gemeinsam dafür sorgt, dass die Nacht nicht ganz so schwarz ist.

Ruhig plätschern die Stunden dahin - wie das Kielwasser hinter Felix. Nach dem Geräusch an den Hecks können wir sehr gut die Geschwindigkeit bestimmen. Heute ist es nur ein leises Gurgeln. Gemächlich schaukelt unser Heim am tiefblauen Atlantik auf und ab. Bei kaum drei Knoten durchs Wasser und viereinhalb Knoten über Grund, dank des NW-laufenden Benguelastroms, machen wir zwar keine großartigen Etmale, aber es ist wunderbar entspannend.

Heute sind wir mit dem großen Spinnaker durch die Nacht gesegelt. Der Wind nimmt ab und dreht zwischen Südost und Süd. Bisher haben wir am Abend den kleineren Schwerwetterspi gesetzt. Die morgendliche Bewölkung hat sich verzogen. Es ist angenehm warm. Zu unserer großen Freude zeigt sich nach sehr langer Zeit sogar unser Gecko wieder, der bereits seit Langkawi an Bord ist. Beim Kochen greife ich nach einem Gewürzkorb und schrecke auf, als er plötzlich vor mir sitzt. Wo warst du denn so lange? Hast du Winterschlaf gehalten? Schnell verschwindet der kleine Freund hinterm Küchenblock und läßt sich wahrscheinlich wieder wochenlang nicht blicken.
Ich hole meine Handarbeit hervor. In Mauritius habe ich mir Häkelgarn gekauft. Während der vergangenen vier Monaten mit Keanu, Thomas und Sonja habe ich nicht einmal daran gedacht, so beschäftigt waren wir den ganzen Tag. Auf den vielen Meilen bis in die Karibik werde ich vielleicht meinen Pulli fertig bringen, ein entspannender Zeitvertreib. Von Ascension bis Trinidad sind es übrigens nicht 2300 sondern 3000 Meilen. Da kann ich auch noch Ärmel häkeln...

Um ein Uhr nachts aus dem warmen Bett zu steigen, schmerzt immer noch. Wohl oder übel werde ich mich aber daran gewöhnen müssen. Wenigstens wird die Luft langsam etwas wärmer, je weiter wir nach Norden kommen. Die dicke Haube kann wieder im Schrank bleiben. Ich gehe raus ins Cockpit und werde begrüßt von Mondenschein und Sternenhimmel. Um Mitternacht ist der Halbmond aufgegangen und wirft seine glänzende Bahn über den Ozean. Das Kreuz des Südens strahlt mit dem Orion um die Wette, dazwischen funkelt es millionenfach. Immer wieder faszinierend! Fast vergesse ich, meinen Blick über den Horizont gleiten zu lassen, um zu schauen, ob eventuell ein anderes Schiff unterwegs ist. Die stark befahrene Route entlang der südafrikanischen Küste liegt bereits hinter uns. Fischer gibt es so weit von Land auch nicht mehr und die wenigen Frachter senden alle AIS-Signale, die wir am Kartenplotter empfangen können.

Gestern haben wir den 15. Längengrad passiert und die Uhren um eine Stunde zurückgedreht. Damit befinden wir uns jetzt in der gleichen Zeitzone wie Österreich. Theoretisch hätten wir 4700 Seemeilen (etwa 8700km) nach Nord und wären daheim, praktisch machen wir noch einen kleinen Umweg über die Karibik nach Trinidad. Gegen den Wind können wir nicht segeln, dafür recht angenehm momentan mit dem Spinnaker bei achterlichen 16-20 Knoten aus Süd.

Zu Mittag gibt es oesterreichische Hausmannskost - Erdaepfelgroestl mit Krautsalat. Gleich darauf ratscht die Angel. Schnell raeume ich den Tisch im Cockpit ab, hole Schaffel, Schnaps und Zangerl und lege den Kescher griffbereit. Lois kurbelt inzwischen den Fang naeher heran. Dann gehe ich an die Angel und Lois faehrt vorsichtig mit dem Netz unter den Fisch. Schon landet die Grosse Bernstein-Stachelmakrele im Schaffel, bekommt ihren Schnaps, schuettelt sich noch kraeftig und sorgt fuer eine ausgiebige Sauerei. Muss das sein? Vorsorglich habe ich aber auch die Cockpitpolster in Sicherheit gebracht. Der Ablauf ist bereits Routine. Nun noch ausnehmen, filletieren und portionieren und schon sind vier leckere Fischmahlzeiten gesichert. DANKE!

Dichter Nebel beim Fruehstueck laesst uns etwas spaeter als vereinbart den Anker lichten. Sogar Pakia tea, nur 100 Meter neben uns, ist verschwunden. Bald blinzelt die Sonne wieder durch. Wir sind bereit. Vor uns liegt der Sued-Atlantik. 1700 Seemeilen bis St. Helena, 700 bis Ascension und noch einmal 2300 bis Trinidad. Mehrere Wochen werden wir auf See sein. Da spielt es keine Rolle, ob wir 1 Stunde frueher oder spaeter aufbrechen.

Wir haben es tatsächlich geschafft, von Südafrika auszuklarieren, ohne mit dem Boot nach Kapstadt zu fahren. Es war nicht leicht. Laut derzeitigen Bestimmungen müssen alle Segler in den Royal Cape Yacht Club fahren, der so etwas wie die Zollmole ist. Allerdings muss man dafür natürlich eine saftige Liegegebühr bezahlen, viel unnötige Zeit vergeht und die Einfahrt ist bei starkem Wind ziemlich gefährlich. Mühsam besorgen wir uns alle Bestätigungen, die für ein Ausklarieren von Simon´s Town aus nötig sind:

Kräftiger Rückenwind schiebt uns über die False Bay. Bereits vor 9 Uhr kündige ich über Funk auf Kanal 71 unsere Ankunft an. Spilly, der Marinamanager erwartet uns mit einem Mitarbeiter im kleinen Motorboot und hilft uns, an der Mooring festzumachen. Bei Windstärken um die 30 Knoten sind wir ihm dafür sehr dankbar.
Simon´s Town ist ein gemütliches Städtchen. Nette Restaurants, Kaffeehäuser und Trödlerläden, Wäscherei, ATM´s und natürlich Museen reihen sich im britischen oder holländischen Stil entlang der King George Street. Verlaufen können wir uns nicht. Zwischen einer Hügelkette, die zum Kap der Guten Hoffnung führt, und der False Bay gibt es nur eine Straße.
Eigentlich könnten wir die Tage hier echt genießen, wenn nicht der Südostwind weiter zugelegt hätte und mit unglaublicher Beständigkeit mit 40 bis 50 Knoten pfeifen würde. Die Gischt wirbelt von hinten ins Cockpit und vermischt sich mit dem Aschestaub, den der Wind vom letzten Waldbrand über die Bucht weht. Wenigstens haben wir inzwischen Vertrauen zu unserer Mooring und schlafen relativ unbesorgt.

Steile Wellen bauen sich auf zwischen den Knysna Heads und verlangen bei der Ausfahrt wieder volle Konzentration. Wir haben den Zeitpunkt gut gewählt. Bei auslaufender Strömung werden wir nur mäßig durchgerüttelt. Am offenen Meer begrüßen uns lässig treibende Robben, die flink vor unserem Rumpf abtauchen, um gleich darauf wieder munter ihren Kopf aus dem Wasser zu strecken.

Bei Slackwater, also wenn die Gezeiten wechseln, steuern wir die schmale, felsige Einfahrt von Knysna an. Zwischen den landschaftlich wunderschönen Knysna Heads motoren wir voll konzentriert in die Lagune und meiden das rechte Ufer, das mit Untiefen gespickt ist. Der Wind hat etwas aufgefrischt, passt aber gerade noch um bei einlaufender Strömung durch das Nadelöhr zu schlüpfen. Geschafft!

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